Hauptlehrer Johann Schmidt

Von Pfarrer Memmert, aus Uffenheimer Kirchenbote 1918 Nr.10 und Nr.11

Einen schmerzlichen Verlust erlitt die Gemeinde Auernhofen durch den unerwartet schnellen Heimgang ihres langjährigen, verdienten Lehrers, Organisten und Gemeindeschreibers, des Hauptlehrers Johann Schmidt. Seines Lebens und Wirkens sei auch an dieser Stelle gedacht!

Der Entschlafene war geboren am 13. März 1864 zu Löllendorf; Gemeinde Wieseth, im Bez.-A. Feuchtwangen, als Sohn des Bauern Gg. Leonh. Schmidt und seiner (zweiten) Ehefrau Marg. Barbara, geb. Hofmann von Wüstenweiler. Am 16. März empfing er die hl. Taufe. – Er hatte eine harte Jugend, über die er als Schulpraktikant (1885-86) in einem besonderen „Lebens- und Tagebuch“ sehr ausführliche Aufzeichnungen „zur Erinnerung für die Tage des Alters“ niederschrieb. In frühester Jugend und noch in den ersten Jahren seiner Schulzeit war Schmidt sehr schwächlich, so daß ihm anfangs auch das Lernen schwer fiel. Dabei hatte er 7 Jahre lang täglich einen fast ¾ stündigen Schulweg nach Wieseth zurückzulegen, auf dem er allen Unbilden der Witterung ausgesetzt war. Kein Wunder, daß er sich als Neunjähriger einmal eine Lungenentzündung zuzog. Schon ehe er in die Schule kam, im Februar 1870, verlor er seine Mutter durch den Tod und 4 Jahre später, im Juli 1874, auch seinen Vater, so daß er schon als zehnjähriger Knabe Doppelweise war. Zwei Brüderchen waren schon früher gestorben. Im folgenden Frühjahr verheiratete sich, durch die häuslichen Verhältnisse gezwungen, seine erst 18 jährige Stiefschwester. Bei ihr wurde der Knabe und sein sechsjähriges Schwesterchen untergebracht. Pfarrer Seifert von Wieseth hatte, als der Knabe gesünder und seine Leistungen in der Schule immer besser geworden waren, mit Schmidts Vater vereinbart, daß der Junge Pfarrer werden solle. Durch den Tod des Vaters und den bald darauf erfolgten Wegzug des Pfarrers unterblieb dies. „Niemand dachte mehr an mich“, so schreibt Schmidt selbst später, „vor allem dachte niemand mehr daran, daß ich schon ziemlich fest zu einem Pfarrer bestimmt war. Hätte mein Vater noch gelebt, ich wäre auch ein Pfarrer geworden. … Man fragte wenig nach mir, ließ mich die Volksschule besuchen und bei meiner Stiefschwester mußte ich fest arbeiten.“ Sein Lehrer in Wieseth war zuletzt Wilh. Friedr. Schurig, der von 1857-1866 Lehrer in Auernhofen und so Schmidts indirekter Vorgänger auf dieser Schulstelle gewesen war. Anfangs Mai 1877 wurde der Knabe in Wieseth durch Pfarrer Götz konfirmiert, darnach von diesem einige Zeit noch privatim unterrichtet und im Herbst desselben Jahres in die Kreisackerbauschule zu Triesdorf aufgenommen. Schwer gewöhnte der schüchterne Knabe dort ein und wagte lange Zeit nicht einmal sich satt zu essen; die ganze Lebensweise dort war ihm etwas Fremdes, der Spott mancher Kameraden bedrückte ihn; so fühlte er sich sehr verlassen und litt anfangs viel an Heimweh. Ganz allmählich erging es ihm besser, auch das Lernen fiel ihm nicht schwer; im zweiten Kurs war er schon der Erste unter seinen Mitschülern. Sehr hart traf ihn damals der Tod seiner einzigen rechten Schwester, die im Sommer 1879, nachdem auch sie ein ziemlich hartes Los gehabt, an Scharlachfriesel verstarb. Im August 1880 absolvierte er die Kreisackerbauschule mit der Hauptnote I. Körperlich war er noch immer schwach, maß doch der 16 Jährige erst 1,39 Meter. Es folgte für ihn eine recht harte Praktikantenzeit in Triesdorf, die seine Gesundheit aufs neue beeinträchtigte und ihm die Freudigkeit an seiner Tätigkeit raubte. Nun faßte er den Entschluß, sich dem Lehrerberuf zuzuwenden, aber erst nach langem Widerstreben willigte sein Vormund ein. Schmidt wurde – ausnahmsweise während des Schuljahres – in die Präparandenschule Wassertrüdingen aufgenommen. Durch sehr großen Fleiß gelang es ihm dort bald, gute Fortschritte zu machen; in der Musik freilich bedurfte es noch vieler Anstrengungen, bis er mit seinen Kursgenossen Schritt halten konnte. Von Krankheiten wurde er wieder mehrfach betroffen. Nach 2½ Jahren bestand er die Übertrittsprüfung ins Schullehrerseminar, auf die er sich mit großer Mühe und zäher Ausdauer vorbereitet hatte, und besuchte – als der älteste der damaligen Seminaristen – von 1883-1885 das Seminar zu Schwabach. Sein ernster Fleiß und sein sehr lobenswertes Betragen wurde immer wieder anerkannt, seine Gutmütigkeit und Gefälligkeit schon damals besonders hervorgehoben. Mit gutem Ergebnis absolvierte er das Seminar im August 1885 und trat mit September in Feuchtwangen in die Schulpraxis ein. Ab 1. Juli 1886 fand er seine erste Verwendung als Schulgehilfe in Trechtlingen, wo er 4½ Jahre verblieb; darnach war er noch als Schulverweser in Tauberschallbach, Diespeck, Obernzenn und Faulenberg. Am 1.Mai 1893 bezog er die Schulstelle zu Rauschenberg. Dort verehelichte er sich 1894 mit der Lehrerstochter Philippine Rost von Dottenheim, die ihm mit herzlicher Liebe und aufopfernder Treue nahezu 25 Jahre zur Seite stand. Zwei Kinder wurden ihm geboren: Ein Sohn Rudolf, z.Zt. Unteroffizier und Führer der Waffenrüstungsaufsicht der bayer. Rumplerwerke in Augsburg, und eine Tochter Kunigunde. Mit 1. November 1896 kam Schmidt auf die Schulstelle zu Auernhofen, (als Nachfolger des nach 30 jährigem Wirken dortselbst verstorbenen Lehrers Johann Ludwig Turtur.) Hier mußte er noch 4 Jahre in den engen und mißlichen Verhältnissen des alten Schulhauses sich behelfen, bis er im Herbst 1900 in das von der Gemeinde erbaute, geräumige neue Schulhaus übersiedeln konnte. Im ganzen hat er fast 22 Jahre mit viel Treue und Eifer in Auernhofen gewirkt. Im Jahre 1911 wurde ihm der Titel: Hauptlehrer Allerhöchst verliehen.

Schon als Schulgehilfe in Treuchtlingen war Schmidt halsleidend. Damals stellte der Arzt dem bleich und schwach aussehenden jungen Mann in Aussicht, er werde sich dem anstrengenden Dienst in der Schule nicht lange widmen können. Mit Gottes Hilfe vermochte er aber doch über drei Jahrzehnte seinen Beruf auszuüben. Allerdings litt er fast beständig an chronischem Rachenkatarrh. Seit Ende vorigen Jahres verschlimmerte sich derselbe zu einem schweren, unheilbaren Leiden, das den im übrigen noch rüstigen Mann nötigte, seiner Lehrertätigkeit zu entsagen. Nach einer scheinbaren Besserung machte er zwar im Juli noch einmal den Versuch Unterricht zu erteilen, aber nun trat eine weitere Verschlimmerung seines Leidens ein. Keine ärztliche Kunst, keine noch so treue Pflege der Seinen war imstande, ihm zu helfen. Immer schneller schwanden in den letzten Wochen seine Kräfte, während zunehmende Atemnot ihm zeitweise große Qualen bereitete. Am Sonntag, 25. Aug., waltete der Entschlafene im Gottesdienst noch seines Amtes an der Orgel. Seines herannahenden Endes sich wohlbewußt hörte er mit sichtlicher Ergriffenheit die Auslegung der Epistel für den 13. Sonntag n. Trin. vom Abschied des Apostels Paulus (Ap.-Gesch. 20, 17-38). Das Wort des Apostels: „Ich weiß, daß ihr mein Angesicht nicht mehr sehen werdet“, fand in seinem Herzen ernsten Widerhall, und mit besonderer Wärme, als wollte er so recht hineinlegen, was seine Seele erfüllte, spielte er das Lied: „Wie Gott mich führt, so will ich geh’n“ (Ges.-B. Nr. 425) und zuletzt den Vers: „O heilger Geist, mit deiner Kraft, die sterben sollen, stärke, daß man des Glaubens Ritterschaft an ihrem End‘ vermerke, und sie also mit Fried‘ und Freud‘ den Abschied nehmen aus der Zeit in Christo, unserm Herren!“ (Nr. 510,7). Daheim aber erklärte er den Seinen mit ernster Bestimmtheit: „Heute wurde mir die Abschiedspredigt gehalten!“ Er hat richtig geahnt. Nachdem er tagsüber teils noch schriftliche Arbeiten erledigt hatte, teils zu Bett gelegen war, steigerten sich seine Qualen in der Nacht zu furchtbarer Höhe. Um wenigstens einige Erleichterung zu finden, begab er sich am folgenden Vormittag in Begleitung seiner Frau nochmals nach Würzburg; die Fahrt dorthin war qualvoll. Eine sofort vorgenommene neue Operation verschaffte ihm zwar die ersehnte Möglichkeit leichteren Atmens, aber unmittelbar darauf führte der völlige Zusammenbruch seiner Kräfte noch auf der Straße den Tod des erst 54 jährigen Mannes herbei am Montag, den 26. August, nachm. Ein Herzschlag brachte ihm die Erlösung von seinen Leiden. Die Leiche des Entschlafenen wurde nach Auernhofen überführt, und dort am Donnerstag, 29. August, nachm. 2 Uhr beerdigt. Eine überaus große Trauerversammlung hatte sich voll aufrichtiger Teilnahme dazu eingefunden. Her Hauptlehrer Maueröder-Adelhofen legte am Grabe des Verstorbenen im Namen des Bezirkslehrervereins Uffenheim mit einem warmen Nachruf einen Kranz nieder, ebenso Bürgermeister Thorwart im Namen der Gemeinde, Beigeordneter Pfeuffer als erster Vorstand des Veteranen- und Kriegervereins im Namen dieses Vereins, dessen zweiter Vorstand Hauptlehrer Schmidt gewesen, endlich eine Schülerin im Namen der Schulkinder. Gefaßt und wohlvorbereitet hatte der Heimgegangene seinem Lebensende entgegengesehen. Wir hoffen uz Gott, daß dem frommen, treuen Mann der Tod der Eingang geworden ist zum Leben.

Ja, von Herzen fromm ist er gewesen. Gottesfurcht und Gottvertrauen waren einst dem empfänglichen Gemüt des frühverwaisten Knaben eingepflanzt worden, und er hat sie unter den Versuchungen und Stürmen, Kämpfen und Leiden des Lebens bewahrt und bewährt. Ein geringschätziges Aburteilen über religiöse Dinge oder auch nur kühle Gleichgültigkeit gegen Gott und sein Wort wäre ihm ganz unmöglich gewesen. Darum übte er auch fleißig, was des Christen höchstes Recht und schönste Pflicht ist: das Gebet. Ehe er zum letzten Male sein Haus verließ, in das er nur noch im Sarge zurückkehren sollte, betete er mit den Seine noch den 46. Psalm, dies Lied voll Gottvertrauens: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns betroffen haben; … der Herr Zebaoth ist mit uns; der Gott Jakobs ist unser Schutz.“ Wohl dem, der so dem Tode entgegengeht! Denn das Gottvertrauen des Heimgegangenen erwuchs aus herzlichem Glauben an seinen Heiland.

Wer beobachtete, wie er betete, wie er zum Tisch des Herrn ging, wie er an Krankenbetten den Leidenden, die er fleißig besuchte, Kernsprüche aus Gottes Wort zum Troste zurief, wie ihm das alles aus tiefstem Herzen, aus voller christlicher Überzeugung kam, wie es ihm ein heiliger Ernst war, der erkannte deutlich die schlichte Herzensfrömmigkeit und Glaubenseinfalt, von der dieser Mann durchdrungen war. Daß es kein bloßes Frommtun mit dem Munde war, bewies gar mancher Zug in seinem Leben. Mit Andacht und Wärme spielte er im Gotteshaus die Orgel, die auch ihm so lieben Choräle, sorgfältig war er darauf bedacht, daß auch in jenen äußeren und kleinen Dingen nichts fehlte, die wohl beobachtet sein wollen um der Würde des Gotteshauses und Gottesdienstes willen. Von seinem Herzensglauben gab er gerne Zeugnis auch bei der Unterweisung der Jugend; sie – soviel an ihm lag – aufzuziehen in der Zucht und Vermahnung zum Herrn war ihm eine heilige Sache. Was für ein köstliches Amt hat doch Gott den Lehrern aufgetragen: weichen, empfänglichen Kinderherzen das Bild eines edlen Diesseits und eines seligen Jenseits einzuprägen, sie hinzuführen zu dem großen, heiligen Gott und zu dem Heiland ihrer Seelen, gewiß ein hoher und herrlicher, wenn auch oft schwerer Beruf! Seine Bürde hat auch der Entschlafene empfunden, aber auch in 33 jähriger Dienstzeit mit aller Treue nach dem Maße der ihm verliehenen Kräfte dem Dienst an der Jugend sich gewidmet. Ein großer Teil der jetzt Lebenden in der Gemeinde Auernhofen ist unter seiner Leitung ausgebildet worden und wird den treuen, stets wohlmeinenden Lehrer in dankbarer Erinnerung behalten. Auch sonst gedenkt die Gemeinde mit Dank des Mannes, der mit seltener Hingabe seine Kraft und Zeit ihren äußeren Angelegenheiten gewidmet hat, ganz besonders auch unter den vielfach vermehrten Ansprüchen dieser Kriegsjahre. Mit viel gutem Rat und manch aufopfernder Tat suchte und vertrat er das Beste der Gemeinde, mit freundlicher Bereitwilligkeit diente er auch vielfach den Nachbargemeinden. Wirklich rührend war der Eifer, womit er den Einzelnen, namentlich auch den Verwitweten und Verwaisten, die irgend ein Anliegen hatten oder irgendwie der Hilfe bedurften, zu raten und beizustehen bemüht war. Da scheute er keine Mühe, keinen noch so weiten Weg; hat er doch noch wenige Tage vor seinem Tode, um einem Freunde einen Gefallen zu erweisen, einen mehrstündigen Weg bei glühendem Sonnenbrand, der ihm so weh tat, unverdrossen und hilfsbereit zurückgelegt. Selbst offenkundiger Undank konnte ihn nicht erbittern, nicht abbringen von seinem fürsorgenden Eifer. So diente er unermüdlich dem Ganzen wie den Einzelnen bis seine Kräfte erlahmten; buchstäblich bis zum letzten Tag seines Lebenstat er, was er konnte; und so hat sich seine Frömmigkeit in Pflichttreue und Nächstenliebe bewährt. Mochte manche äußere Eigenheit an ihm den Fernerstehenden im ersten Augenblick befremden – wer ihn näher kennen lernte, sah in ihm alsbald den herzensguten, treuen und frommen Mann, eine stets aufrichtige Seele ohne Falsch, anhänglich und wohlmeinend. Mit herzlichem Dank gedenkt auch der Schreiber dieser Zeilen des treuen Mitarbeiters an Gemeinde, Schule und Kirche, der ihm in nahezu 10 jährigem, durch keine Störung getrübten Zusammenwirken aufrichtig zugetan und jederzeit ein williger Helfer und Berater gewesen. Was Hauptlehrer Schmidt allen, alt und jung, in guten und namentlich in schweren Tagen Gutes getan hat, wird unvergessen bleiben; möge der Herr es ihm reichlich vergelten! Der hart betroffenen Familie aber, die durch den Heimgang des so treubesorgten Mannes und Vaters am meisten verloren hat, schenke der Gott alles Trostes zur willigen Ergebung in seinen Ratschluß auch die Kraft, ihr schweres Leid gefaßt zu tragen und festzuhalten am zuversichtlichen Vertrauen auf den Gott, der auch in Trübsal das Beste der Seinen will und diejenigen nimmermehr verläßt, die seiner harren mit Glauben und Geduld!

Das Andenken des Entschlafenen bleibe in Segen!

Simmershofen. Memmert.