1879 - Pfarrer Sticht

Nachdem gestern von dem Schieferdecker Wilhelm Müller zu Rothenburg ob der Tauber der Knopf des Kirchthurms zu Auernhofen abgenommen und die Helmstange angeschiftet und mit 5 eisernen Ringen befestigt war, wurde heute, den 21.Mai 1879‚ als am Mittwoch vor Christi Himmelfahrt, also an demselben Tag im Jahre 1815, als der Thurmknopf zum letzten Mal abgenommen worden war, derselbe wieder aufgesetzt. Die zwei älteren Schriften, nämlich vom Jahr 1756 und 1815 nebst 7 Münzen wurden wieder in das Büchschen gelegt und im Thurmknopf verwahrt, und diese dritte Schrift dazu gelegt.

Seit dem Jahr 1876 haben wir in Deutschland eine neue Geldwährung, die Markwährung; 1 Mark = 100 Pfennig = 35 Kreuzer rheinisch früherer Währung. In Gold gibt es Doppelkronen = 20 M = 11 Gulden(fl) 40 Kreuzer (kr) rheinisch (rh), Kronen = 10 M = 5 fl 50 kr rh und halbe Kronen = 5 M in Gold = 2 fl 55 kr rh. – In Silber: gibt es Stücke zu 5 M = 2 fl 55 kr, Stücke zu 2 M = 1 fl 10 kr, Stücke zu 50 Pf = 17 1/2 kr rh. (früher her wurden diese Stücke, die es in Sachsen und Preußen gab und von welchen 1 Stück der 6.Theil eines Thalers war, Achtzehner genannt), 20 Pfennig Stücke = 7 kr rh. Aus Nickel gibt es 10 Pfennigstücke = 3 1/2 kr und 5 Pfennigstücke = 1 3/4 kr rh. Aus Kupfer 2 Pfennig-Stücke und 1 Pfennigstücke. – Dieses Geld muß im ganzen deutschen Reich von Privaten und allen Kassen angenommen werden.

Wie wir aber neue Geldwährung haben, so auch neues Maß und Gewicht.

Als Längenmaß gilt der Meter, als Flüssigkeitsmaß der Liter. Als Gewicht gilt das Gramm.

Die Geldwährung, das Maß und Gewicht gilt im ganzen deutschen Reich. Das neue deutsche Reich besteht seit dem Jahr 1871‚ Im Jahre 1806 hat der französische Kaiser Napoleon I. das alte römische Reich deutscher Nation aufgehoben. Nach seiner Besiegung wurde unter dem Präsidium Österreichs Deutschland zu einem Bundesstaat vereinigt. Die oberste Behörde des deutschen  Bundesstaats war der Bundestag in Frankfurt am Main, welchem jeder Staat einen Gesandten schickte. Durch den Krieg Preußens mit Österreich im Jahre 1866 wurde der Bundestag aufgelöst, Österreich von den andern deutschen Ländern ausgeschieden, von Preußen der norddeutsche Bund gegründet, während Bayern, Württemberg, Baden und Großherzogthum Hessen den süddeutschen Bund bilden sollten. Zum norddeutschen Bund unter dem Vorsitz von Preußen gehörten alle andern deutschen Staaten mit Ausnahme der vorhin genannten 4 süddeutschen Staaten. Der norddeutsche Bund gab sich eine Bundesverfassung, während es zur Bildung eines süddeutschen Bundes nicht kam.

Im Jahr 1870 war der französisch-deutsche Krieg, an welchem sich alle deutschen Stämme (Österreich ausgenommen) betheiligten, und in welchem die Franzosen in allen Schlachten geschlagen, der französische Kaiser Napoleon III. nach der Schlacht bei Sedan am 2.September 1870 mit seinem ganzen Heer ca. 130.000 Mann gefangen, Paris belagert und übergeben wurde‚ ebenso Metz und andere Festungen und am 18.Januar 1871 im Schlosse zu Versailles bei Paris auf Antrag unseres Königs von Bayern, Ludwig II., unter Zustimmung aller deutschen Fürsten und dem Jubel des ganzen deutschen Volks zum deutschen Kaiser proclamirt wurde. So war das deutsche Reich wieder erstanden, das Gott in Gnaden erhalten wolle. An der Spitze desselben steht der preußische König, in dessen Familie die deutsche Kaiserkrone forterbt. Die oberste Behörde ist der Bundesrath in Berlin, zusammengesetzt aus Bevollmächtigten sämmtlicher deutschen Staaten. Die gesetzgebende Gewalt liegt im deutschen Reichstag, welcher alle 3 Jahre durch direkte Wahlen neu gewählt wird.

Vom 1.Januar 1880 an tritt auch das deutsche Strafgesetz in Wirksamkeit, durch welches ein einheitliches Strafgesetz für das ganze deutsche Reich hergestellt ist. Auch das Heer ist ein einheitliches im deutschen Reich.

Der gegenwärtige deutsche Kaiser ist der preußische König Wilhelm I. In Bayern regiert seit dem Jahr 1864 als der 4.bayerische König Ludwig II.

Was die Kirche zu Auernhofen betrifft und die Gemeinde dahier, so wird Folgendes bemerkt: Seit dem Jahre 1815 wurden verschiedene Reparaturen an der Kirche und am Thurm vorgenommen, um beide in gutem Zustand zu erhalten. Das Kirchenvermögen beträgt gegenwärtig 11.175 fl 0 kr nach früherer Währung = 19.157 M 14 Pf in neuer deutscher Reichswährung.

Der gegenwärtige evangelisch-lutherische Pfarrer der Gemeinde Holzhausen, zu welcher Auernhofen als Filial gehört, heißt Johann Sticht; der gegenwärtige Lehrer heißt Ludwig Turtur.

Die Gemeinde Auernhofen ist seit dem Jahre 1815 vor schwerem Unglück verschont geblieben; nur hat ein Hagelwetter am 1.Juni 1877 außer Verwüstungen auf den Feldern auch die Kirchenfenster auf der NO-Seite zerschlagen. Der Ort Auernhofen hat 36 Hausnummern, zählt 34 Familien und hat 87 männliche und 94 weibliche, zusammen 181 Bewohner. – Die Gemeindeverwaltung besteht aus folgenden Personen: Bürgermeister (früher her hieß er Schulz, dann Vorsteher) ist der Bauer Georg Strebel Hs.Nr.13‚ Beigeordneter Joh. Georg Bergmann Hs.Nr.2, Einnehmer Christoph Pfeuffer Hs.Nr.20, Gemeindebevollmächtigte sind die Bauern Joh. Georg Ehemann Hs.Nr.27, Konrad Ott Hs.Nr.30, Andreas Fuchs Hs.Nr.19. Kirchenpfleger ist der Bauer Leonhard Gehringer Hs.Nr.32.

Zu bemerken ist noch, daß im Jahre 1878 sämmtliche Bauern freiwillig beschlossen haben, die auf der Gemeindeflur gegen Simmershofen gelegenen Wiesen und Felder zusammen zu legen und dann nach Verhältniß des Besitzes zu vertheilen. Die Wiesen im Brühl und die Felder im Kirchbühl sind bereits vertheilt, die Felder im Riedbühl werden noch in diesem Herbste vertheilt. Es ist dieses die erste freiwillige Arrondierung in Mittelfranken.

Den Feldzug in den Jahren 1870 und 1871 machte ein einziger Soldat von hier, der Bauernsohn Andreas Ott Hs.Nr.18‚ mit, der insbesondere auch alle Kämpfe bei Orleans mitmachte, ohne verwundet zu werden.

Die Fruchtnormalpreise pro 1879 betragen pro Hektoliter: Für Weizen 12 M 60 Pf, Kern 12 M 50 Pf, Korn 9 M 50 Pf, Dinkel 4 M 50 Pf, Gerste 9 M 60 Pf, Haber 4 M 30 Pf, Erbsen 11 M 60 Pf, Linsen 11 M 70 Pf, langes Stroh 8 M 40 Pf, kurzes 4 M 90 Pf.

Nachtrag:

Nachdem in der Gemeindeversammlung, in welcher obiges Schriftstück verlesen wurde, beschlossen worden war, den Knopf und die Fahne um 70 M, welche durch freiwillige Beiträge sogleich gezeichnet wurden, zu vergolden‚ konnte der Thurmknopf erst am Freitag nach Himmelfahrt Christi, den 23.Mai 1879, auf den Thurm gebracht werden. Die Fahne wurde am Tage darauf auf den Thurm gebracht, jedoch nicht mehr die alte, sondern eine neue, aus Blech gefertigte.

Außer dem alten Büchschen mit seinem Inhalt wurde noch eine andere Büchse mit diesem Schriftstück und folgenden Münzen in dem Thurmknopf aufbewahrt; nämlich: 1 Fünfmarkstück, 1 Markstück, 1 Fünfzigpfennig- ‚1 Zwanzigpfennig-‚ 1 Zehnpfennig-, 1 Fünf-pfennig-, 1 Zweipfennig- und 1 Einpfennigstück.

Auernhofen, den Tag nach Christi Himmelfahrt
am 23.Mai 1879.
Sticht ev. luth. Pfarrer zu Holzhausen
Ludwig Turtur, Lehrer dahier.